Xiaomi in Indien: Ende einer Ära oder strategische Neuausrichtung?
Die Tech-Welt blickt gespannt nach Indien, wo der chinesische Gigant Xiaomi, einst unangefochtener König des preiswerten Smartphone-Marktes, mit strategischen Rückschlägen konfrontiert ist. Berichte deuten darauf hin, dass die Zentrale in China die indischen Operationen auf Eis gelegt hat, Investitionen stoppt und Produktneueinführungen absagt. Was bedeutet dieser Kurswechsel für eine Marke, die Indien zu ihrem globalen Wachstumsmotor machte?
Der Wendepunkt in Xiaomis Indien-Strategie
Für Xiaomi war Indien lange Zeit mehr als nur ein wichtiger Markt – es war das Herzstück der globalen Umsatzmaschine, verantwortlich für bis zu 45% des weltweiten Einkommens. Nun scheint sich das Blatt zu wenden. Die Konzernzentrale in China hat offensichtlich beschlossen, die Prioritäten zu verschieben, und lässt die indische Tochtergesellschaft in einer ungewissen Situation zurück. Dies manifestiert sich in gestoppten Investitionen und einer eingefrorenen Expansion, ein deutliches Zeichen dafür, dass Indien vorerst auf der internen Agenda nach unten gerutscht ist.
Geopolitische Turbulenzen als Katalysator
Die Herausforderungen, vor denen Xiaomi in Indien steht, sind eng mit den wachsenden geopolitischen Spannungen zwischen China und Indien verknüpft, die seit dem Grenzkonflikt 2020 eskalierten. Die indische Regierung hat daraufhin die regulatorischen Hürden für chinesische Unternehmen erhöht. Ein drastischer Schritt war die Einfrierung von über 4.700 Crore Rupien (ca. 560 Millionen US-Dollar) von Xiaomis Vermögen im Jahr 2022, ausgelöst durch Vorwürfe illegaler Geldtransfers. Diese widrigen Umstände spiegeln sich auch in den Verkaufszahlen wider: Laut IDC India brachen die Auslieferungen im zweiten Quartal 2025 um 23,5% ein, wodurch Xiaomi aus den Top 5 der Marktanteile herausfiel.

Führungskräfte gehen – Vertrauen schwindet
Die Auswirkungen sind auch im Personalbereich spürbar. Ein breiter Exodus von Top-Managern hat die indische Niederlassung geschwächt. Gleichzeitig scheint die chinesische Zentrale zögerlich, sich langfristig zu binden. Die Abwanderung von Schlüsselpersonen wie dem Präsidenten von Xiaomi India, Muralikrishnan B, im November 2024 wirft Fragen auf. Auch wenn Sudhin Mathur als neuer operativer Leiter fungiert, liegt die strategische Aufsicht weiterhin bei Alvin Tse in China – ein Indikator für eine mögliche strategische Entkopplung.
Globale Ambitionen, indische Ausgrenzung?
Während Xiaomi weltweit ambitionierte Pläne schmiedet, wie die Ankündigung von 27,8 Milliarden US-Dollar für Forschung und Entwicklung im Mai 2025 durch CEO Lei Jun, scheint Indien aus dieser Vision weitgehend ausgeklammert zu werden. Berichten zufolge erwartet das globale Management, dass sich die Gewinne in Indien stagnieren werden. Gekaufte Produkteinführungen und gestoppte Expansionspläne unterstreichen diese Wahrnehmung. Die Prioritäten verschieben sich offenbar hin zu zukunftsträchtigen Sektoren wie Elektrofahrzeugen und neuen Chips.

Lokale Konkurrenz und neue Chancen
Dieses strategische Vakuum bietet Wettbewerbern wie Vivo und Oppo die Chance, ihre Präsenz im Premium-Segment auszubauen. Gleichzeitig nutzen lokale Marken wie Lava den wachsenden Trend zur technologischen Eigenständigkeit in Indien. Die öffentliche Wahrnehmung von Xiaomi hat ebenfalls gelitten. Reduzierte Marketinganstrengungen konnten die negative Berichterstattung über Untersuchungen wegen Steuerhinterziehung und Zollverstößen, die von der Enforcement Directorate geführt werden, nicht ausgleichen.
Ein Paradigmenwechsel für den indischen Markt?
Mit eingefrorenen Mitteln in Höhe von 4.704,2 Crore Rupien laut Jahresbericht 2024 sind Xiaomis Möglichkeiten zur lokalen Reinvestition begrenzt. Branchenanalysten vermuten, dass Indiens Streben nach technologischer Unabhängigkeit den Smartphone-Markt neu gestalten könnte. Dies könnte chinesische Firmen verdrängen und lokalen Akteuren zugutekommen. Während Xiaomi weltweit seine Lieferketten diversifiziert, könnte Indien tatsächlich zu einem abgeschlossenen Kapitel seiner Expansionsgeschichte werden.
Fragt sich nur: Ist dies das Ende von Xiaomis Dominanz im zweitgrößten Smartphone-Markt der Welt, oder nur eine strategische Pause, um sich neu zu positionieren? Die Zukunft wird es zeigen.